Eine unserer größten Herausforderungen war es anfangs, Gemüsebauern zu finden, die in der Lage waren, Paprika, Tomaten und Co. in Bio-Qualität zu liefern. In Serbien, wo unsere Suche startete, ist bis heute nur ca. ein Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche biozertifiziert (in Österreich ist es mehr als ein Viertel). Zudem bilden Weideflächen und Getreidefelder den Löwenanteil, während für den arbeitsintensiven Anbau von Gemüse bis heute kaum Platz ist. Dennoch gelang es uns im Jahr 2016, eine Gruppe von LandwirtInnen im Umland der südserbischen Kleinstadt Lebane davon zu überzeugen, ein Stück des Weges mit uns zu gehen. Die Skepsis war enorm, weil unsere PartnerInnen in spe keinerlei Erfahrungen mit Biolandwirtschaft hatten, dafür umso mehr Bedenken zu Arbeitsaufwand und Ertrag.
Vier Generationen unter einem Dach
Die Familie Jović im Dörfchen Popovce war von Anfang mit dabei. Gleich vier Generationen leben unter einem Dach, allen voran Stanka Jović, deren Sohn Mića mit seiner Frau, sowie vier Enkel samt ein paar Urenkeln. Stanka selbst ist 86 Jahre alt und stark sehbehindert. Dennoch lässt sie es sich nicht nehmen, frühmorgens die Hausgärten, in denen das Biogemüse wächst, aufzusuchen und nach dem Rechten zu sehen. Über die Jahrzehnte hat sie die Gabe entwickelt, durch bloße Berührung der Blätter zu erkennen, wie es einer Pflanze geht und was sie braucht. Umso neugieriger war sie, als sich ihre Nachkommen anschickten, den Hof auf Biolandwirtschaft umzustellen.
Die schwere Feldarbeit, von der Aussaat bis zur Ernte, überlässt Stanka den jüngeren Generationen. Wenn es aber daran geht, im Herbst die langen Šiljača-Paprikaschoten zwecks Trocknung aufzufädeln, sind ihre geübten Hände immer noch gefragt. Auf 70 Ar erntet die Familie jährlich zehn Tonnen Paprika, vier Tonnen Tomaten und zwei Tonnen anderes Bio-Gemüse. Das reicht natürlich nicht aus, um alle neun Mitglieder zu ernähren, weshalb die die dritte Generation Nebenerwerben nachgeht. Enkeltochter Milica etwa war einige Zeit bei Radanska Ruža auch in der Verarbeitung des eigenen Gemüses beschäftigt, übrigens unter der Leitung von Stankas Tochter Dobrica. Ohne die Jovići und ihre Hartnäckigkeit, die mehrfach auf die Probe gestellt wurde, gäbe es heute BioBalkan nicht.
Von Sibirien nach Serbien
Einen ganzen anderen – viel weiteren – Weg zur Landwirtschaft hat Oksana Kostić hinter sich: Sie stammt aus Sibirien und ist als ganz junge Frau auf den Hof ihres Mannes im Dorf Štulac gekommen. Mit Methoden, die sie von ihrer Mutter erlernt hatte, begann sie dort vor dreißig Jahren mit dem naturnahen Anbau von Obst und Gemüse. Wie die Jovići hat sie 2016 die drei Jahre dauernde Umstellung auf Biolandwirtschaft auf sich genommen. Seither liefert sie uns nicht nur verlässlich Paprika und Tomaten, sondern beste Himbeeren für unseren Fruchtaufstrich Malina. Das größte Problem für sie ist die Trockenheit in der sanften Hügellandschaft um ihren Hof in den Ausläufern des Radan-Gebirges. Um ihren Betrieb in Zukunft aufrecht zu erhalten, bräuchte sie einen Brunnen, den zu finanzieren uns bisher nicht gelungen ist.
Dass Wasserversorgung in Štulac eine Herausforderung ist, wussten schon die spätrömischen Herrscher der Region im sechsten Jahrhundert nach Christus: In Gehweite zu Oksanas kleiner Landwirtschaft befinden sich nämlich die spektakulären Reste von Justiniana Prima, einer spätantiken Akropolis. Diese wurde in wenigen Jahren als byzantinisches Idealbild einer Stadt aus dem Boden gestampft und diente unter dem bedeutenden Kaiser Justinian als Bischofssitz, ehe sie 615 der slawischen Landnahme zum Opfer fiel. Das Problem mit dem Wasser hatten die Byzantiner mit einem kilometerlangen Aquädukt gelöst, der heute freilich nicht mehr existiert.
Das fruchtbare Becken von Leskovac
Wasserversorgung ist auch etwas, das Dragi Milenković beschäftigt. Die intensive Bewirtschaftung der Ebene zwischen Leskovac und Lebane, wo Dragi seinen Hof hat, macht dem gesamten Becken zu schaffen. Mit 73 Jahren ist er der älteste unserer Bio-Pioniere, der noch selbst täglich sämtliche Feldarbeit leistet, oftmals alleine. Seine Familie brachte er als Verkäufer von Haushaltsgeräten in einem Warenhaus und als Gemüsebauer über die Runden. Vor wenigen Jahren verlor er einen seiner beiden Söhne und ist, wenn zur Erntezeit jede Hand benötigt wird, auf Unterstützung durch die Frauen von Radanska Ruža angewiesen. Letztes Jahr beschädigte ein Sturm ein Gewächshaus und mehrmals verhagelte es ihm die Ernte. Trotz dieser Rückschläge lässt er sich nicht von nachhaltiger und regenerativer Landwirtschaft abbringen. Zum einen kann er von seiner Pension nicht leben. Zum anderen schätzt er die Möglichkeit, sein Gemüse zum garantierten Preis zu verkaufen, anstatt selbst täglich am Markt zu sitzen.
Von Anfang an mit von der Partie war auch Živojin Pavlović. Er liefert jährlich rund 20 Tonnen Gemüse, wobei bei ihm Melanzani besonders gut gedeihen. Auch er, seit langem verwitwet, ist mit seinen 61 Jahren auf sich allein gestellt, nachdem sein Sohn samt Familie in die Stadt gezogen ist. War er ursprünglich einer der größten Skeptiker, ist er nun aktiver Botschafter für Bio-Landwirtschaft im Leskovac-Becken. Am meisten motiviert ihn, dass es möglich ist, ohne unnötige Chemie gesunde Lebensmittel herzustellen.
Als letzter Partner ist Zoran Pavlović zu unserem “Bio-Cluster” gestossen. Er ist Pächter einer ursprünglich nicht urbaren Parzelle in einem entlegenen Tal südlich von Lebane und hat sich dort nur mit Imkerei beschäftigt. Nun ist es seinen Bienen – und den fleißigen Frauen von Radanska Ruža – zu verdanken, dass sein Land am Flüsschen Šumanka das ertragreichste von “unseren” Bio-Feldern ist. Bis zu 30 verschiedene Kulturen, ausschließlich autochthone Sorten, wachsen bei ihm prächtig, allen voran die für die Produktion von Ajvar und Paprikapulver besten Sorten.
Eine Bio-Genossenschaft namens Ružas Garten
Zusammengehalten wird das kleine Bio-Ökosystem, das von uns angestossen wurde, von Radanska Ruža: Ihre Gründerin Slobodanka Pavlović macht jährlich die gemeinsame Anbauplanung, steht mit Rat zur Seite, wenn Probleme im Feld zu lösen sind, und mit Arbeitskräften, wenn Not am Mann ist. Das Modell erwies sich als tragfähig: Von den fünf Betrieben, die 2016 spontan mitmachten, sind heute vier noch an Bord, einer ist hinzugekommen. Zudem gibt es Nachfrage von interessierten LandwirtInnen, jedoch sind unserem Wachstum durch die Kapazitäten der Manufaktur und den Absatz unserer Produkte Grenzen gesetzt.
Formeller Rahmen der Partnerschaft war bislang die gemeinsame Bio-Zertifizierung der Bauernfamilien und Radanska Ruža. Vor kurzem gingen unsere PartnerInnen einen Schritt weiter: Die weiblichen Mitglieder der beteiligten Höfe gründeten gemeinsam die Genossenschaft “Ružina Bašta” (Ružas Garten). Ihre gemeinsame Aufgabe ist es nun, Anbau, Verarbeitung und Vermarktung von Bio-Obst und -Gemüse in den kommenden Jahren weiter zu stärken. Damit ist die Basis für die künftige Entwicklung unserer Bio-Pioniere von Lebane gelegt.
Die Bio-Pioniere von Lebane
Eine unserer größten Herausforderungen war es anfangs, Gemüsebauern zu finden, die in der Lage waren, Paprika, Tomaten und Co. in Bio-Qualität zu liefern. In Serbien, wo unsere Suche startete, ist bis heute nur ca. ein Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche biozertifiziert (in Österreich ist es mehr als ein Viertel). Zudem bilden Weideflächen und Getreidefelder den Löwenanteil, während für den arbeitsintensiven Anbau von Gemüse bis heute kaum Platz ist. Dennoch gelang es uns im Jahr 2016, eine Gruppe von LandwirtInnen im Umland der südserbischen Kleinstadt Lebane davon zu überzeugen, ein Stück des Weges mit uns zu gehen. Die Skepsis war enorm, weil unsere PartnerInnen in spe keinerlei Erfahrungen mit Biolandwirtschaft hatten, dafür umso mehr Bedenken zu Arbeitsaufwand und Ertrag.
Vier Generationen unter einem Dach
Die Familie Jović im Dörfchen Popovce war von Anfang mit dabei. Gleich vier Generationen leben unter einem Dach, allen voran Stanka Jović, deren Sohn Mića mit seiner Frau, sowie vier Enkel samt ein paar Urenkeln. Stanka selbst ist 86 Jahre alt und stark sehbehindert. Dennoch lässt sie es sich nicht nehmen, frühmorgens die Hausgärten, in denen das Biogemüse wächst, aufzusuchen und nach dem Rechten zu sehen. Über die Jahrzehnte hat sie die Gabe entwickelt, durch bloße Berührung der Blätter zu erkennen, wie es einer Pflanze geht und was sie braucht. Umso neugieriger war sie, als sich ihre Nachkommen anschickten, den Hof auf Biolandwirtschaft umzustellen.
Die schwere Feldarbeit, von der Aussaat bis zur Ernte, überlässt Stanka den jüngeren Generationen. Wenn es aber daran geht, im Herbst die langen Šiljača-Paprikaschoten zwecks Trocknung aufzufädeln, sind ihre geübten Hände immer noch gefragt. Auf 70 Ar erntet die Familie jährlich zehn Tonnen Paprika, vier Tonnen Tomaten und zwei Tonnen anderes Bio-Gemüse. Das reicht natürlich nicht aus, um alle neun Mitglieder zu ernähren, weshalb die die dritte Generation Nebenerwerben nachgeht. Enkeltochter Milica etwa war einige Zeit bei Radanska Ruža auch in der Verarbeitung des eigenen Gemüses beschäftigt, übrigens unter der Leitung von Stankas Tochter Dobrica. Ohne die Jovići und ihre Hartnäckigkeit, die mehrfach auf die Probe gestellt wurde, gäbe es heute BioBalkan nicht.
Von Sibirien nach Serbien
Einen ganzen anderen – viel weiteren – Weg zur Landwirtschaft hat Oksana Kostić hinter sich: Sie stammt aus Sibirien und ist als ganz junge Frau auf den Hof ihres Mannes im Dorf Štulac gekommen. Mit Methoden, die sie von ihrer Mutter erlernt hatte, begann sie dort vor dreißig Jahren mit dem naturnahen Anbau von Obst und Gemüse. Wie die Jovići hat sie 2016 die drei Jahre dauernde Umstellung auf Biolandwirtschaft auf sich genommen. Seither liefert sie uns nicht nur verlässlich Paprika und Tomaten, sondern beste Himbeeren für unseren Fruchtaufstrich Malina. Das größte Problem für sie ist die Trockenheit in der sanften Hügellandschaft um ihren Hof in den Ausläufern des Radan-Gebirges. Um ihren Betrieb in Zukunft aufrecht zu erhalten, bräuchte sie einen Brunnen, den zu finanzieren uns bisher nicht gelungen ist.
Dass Wasserversorgung in Štulac eine Herausforderung ist, wussten schon die spätrömischen Herrscher der Region im sechsten Jahrhundert nach Christus: In Gehweite zu Oksanas kleiner Landwirtschaft befinden sich nämlich die spektakulären Reste von Justiniana Prima, einer spätantiken Akropolis. Diese wurde in wenigen Jahren als byzantinisches Idealbild einer Stadt aus dem Boden gestampft und diente unter dem bedeutenden Kaiser Justinian als Bischofssitz, ehe sie 615 der slawischen Landnahme zum Opfer fiel. Das Problem mit dem Wasser hatten die Byzantiner mit einem kilometerlangen Aquädukt gelöst, der heute freilich nicht mehr existiert.
Das fruchtbare Becken von Leskovac
Wasserversorgung ist auch etwas, das Dragi Milenković beschäftigt. Die intensive Bewirtschaftung der Ebene zwischen Leskovac und Lebane, wo Dragi seinen Hof hat, macht dem gesamten Becken zu schaffen. Mit 73 Jahren ist er der älteste unserer Bio-Pioniere, der noch selbst täglich sämtliche Feldarbeit leistet, oftmals alleine. Seine Familie brachte er als Verkäufer von Haushaltsgeräten in einem Warenhaus und als Gemüsebauer über die Runden. Vor wenigen Jahren verlor er einen seiner beiden Söhne und ist, wenn zur Erntezeit jede Hand benötigt wird, auf Unterstützung durch die Frauen von Radanska Ruža angewiesen. Letztes Jahr beschädigte ein Sturm ein Gewächshaus und mehrmals verhagelte es ihm die Ernte. Trotz dieser Rückschläge lässt er sich nicht von nachhaltiger und regenerativer Landwirtschaft abbringen. Zum einen kann er von seiner Pension nicht leben. Zum anderen schätzt er die Möglichkeit, sein Gemüse zum garantierten Preis zu verkaufen, anstatt selbst täglich am Markt zu sitzen.
Von Anfang an mit von der Partie war auch Živojin Pavlović. Er liefert jährlich rund 20 Tonnen Gemüse, wobei bei ihm Melanzani besonders gut gedeihen. Auch er, seit langem verwitwet, ist mit seinen 61 Jahren auf sich allein gestellt, nachdem sein Sohn samt Familie in die Stadt gezogen ist. War er ursprünglich einer der größten Skeptiker, ist er nun aktiver Botschafter für Bio-Landwirtschaft im Leskovac-Becken. Am meisten motiviert ihn, dass es möglich ist, ohne unnötige Chemie gesunde Lebensmittel herzustellen.
Als letzter Partner ist Zoran Pavlović zu unserem “Bio-Cluster” gestossen. Er ist Pächter einer ursprünglich nicht urbaren Parzelle in einem entlegenen Tal südlich von Lebane und hat sich dort nur mit Imkerei beschäftigt. Nun ist es seinen Bienen – und den fleißigen Frauen von Radanska Ruža – zu verdanken, dass sein Land am Flüsschen Šumanka das ertragreichste von “unseren” Bio-Feldern ist. Bis zu 30 verschiedene Kulturen, ausschließlich autochthone Sorten, wachsen bei ihm prächtig, allen voran die für die Produktion von Ajvar und Paprikapulver besten Sorten.
Eine Bio-Genossenschaft namens Ružas Garten
Zusammengehalten wird das kleine Bio-Ökosystem, das von uns angestossen wurde, von Radanska Ruža: Ihre Gründerin Slobodanka Pavlović macht jährlich die gemeinsame Anbauplanung, steht mit Rat zur Seite, wenn Probleme im Feld zu lösen sind, und mit Arbeitskräften, wenn Not am Mann ist. Das Modell erwies sich als tragfähig: Von den fünf Betrieben, die 2016 spontan mitmachten, sind heute vier noch an Bord, einer ist hinzugekommen. Zudem gibt es Nachfrage von interessierten LandwirtInnen, jedoch sind unserem Wachstum durch die Kapazitäten der Manufaktur und den Absatz unserer Produkte Grenzen gesetzt.
Formeller Rahmen der Partnerschaft war bislang die gemeinsame Bio-Zertifizierung der Bauernfamilien und Radanska Ruža. Vor kurzem gingen unsere PartnerInnen einen Schritt weiter: Die weiblichen Mitglieder der beteiligten Höfe gründeten gemeinsam die Genossenschaft “Ružina Bašta” (Ružas Garten). Ihre gemeinsame Aufgabe ist es nun, Anbau, Verarbeitung und Vermarktung von Bio-Obst und -Gemüse in den kommenden Jahren weiter zu stärken. Damit ist die Basis für die künftige Entwicklung unserer Bio-Pioniere von Lebane gelegt.