In den letzten zehn Jahren sei das Wetter immer unvorhersehbarer geworden, erzählt Dragi Milenković. Vor allem die plötzlichen, starken Sturmwinde habe es früher nicht gegeben – sie kämen so schnell, dass es unmöglich sei, die seitlichen Abdeckungen aller Gewächshäuser zu entfernen, um diese vor Zerstörung zu schützen. Slobodanka Pavlović schildert, dass sie die klimatischen Veränderungen zu einer späteren Aussaat zwängen: Weil es im Mai, statt wie bisher im April, zu stark regne, könnten die Setzlinge erst im Juni ausgebracht werden, mit fast einem Monat Verspätung. Damit seien die Jungpflanzen rascher sommerlichen Temperaturen ausgesetzt, die deutlich stärker würden. Natürlich wird auch Wasser zum Thema: Der Bach Šumanka, der die Äcker von Radanska Ruža mit dem kostbaren Nass versorgen sollte, liegt im Sommer neuerdings trocken.
Für die Biobauern und -Bäuerinnen von Lebane, die das Gemüse für Ajvar & Co anbauen, gibt es keinen Zweifel, dass der Klimawandel Realität ist. Sie wissen darüber Bescheid, fernab von Medien oder KlimaaktivistInnen, und beschäftigen sich zunehmend mit der Frage, wie sie damit umgehen können. Entsprechend aufmerksam waren sie bei der Sache, als wir ein zweitägiges Training dazu organisierten. Mit Rainer Weisshaidinger konnten wir dafür einen Fachmann gewinnen, der selbst aus der Landwirtschaft kommt und seit vielen Jahren auf der ganzen Welt zu nachhaltiger und regenerativer Landwirtschaft arbeitet.
Ernüchternd waren die Zahlen, die er zur Einführung in seinen Vortrag zeigte: In Serbien ist die Temperatur seit 2001 im Jahresschnitt um 1,4° Celsius gestiegen, in den Sommermonaten sogar um 2,4° Celsius. Im Zeitraum von 2040 bis 2060 werden die Durchschnittstemperaturen zwischen 2,5° Celsius bis 3,1° Celsius im Vergleich zum Zeitraum von 1960 bis 1990 zunehmen. Eine Folge daraus sind Veränderungen bei den Niederschlägen: Diese dürften insgesamt zwar nicht abnehmen, sich jedoch stärker auf die kälteren Jahreszeiten sowie auf extremere Wetterereignisse konzentrieren, während Dürreperioden häufiger und länger werden. Dies wiederum begünstigt die Desertifikation, also die Erosion durch Abschwemmung fruchtbarer Böden. Nicht weniger als 30 Prozent der Oberflächen im ganzem Land haben diesbezüglich hohes Risiko.
Regenerative Landwirtschaft für widerstandsfähige Böden
Wie es angesichts dieser Entwicklungen möglich sein wird, fruchtbare Böden zu erhalten, war das zentrale Thema unseres Workshops. Über die Prinzipien zur Stärkung der Bodenproduktivität waren sich Biobauern und Experte einig: Die Ackerböden müssen rasten, brauchen eine Vegetations- oder Mulchdecke und Pflanzenwurzeln sowie möglichst große pflanzliche Diversität. Spannend wurde es jedoch, als es um deren Umsetzung in der Praxis ging, die je nach Region und Kultur global stark variiert. Gerade der Gemüseanbau neigt zu höherer Beanspruchung der Böden, weil diese häufig stark bearbeitet werden, die Fruchtfolgen intensiv sind oder nur wenig Ernterückstände als Biomasse am Acker bleiben. Der Lokalaugenschein zeigte: Auch unsere Biobauern sind davor nicht ganz gefeit und riskieren dadurch vermehrt Pflanzenkrankheiten und Schädlingsbefall.
Jedenfalls auf fruchtbaren Boden fielen die Empfehlungen unseres Experten im Sinne von regenerativer Landwirtschaft: Die Mulchdecke kann aufgebaut werden, indem wild am Acker wachsende Gräser (“Unkraut”) nach dem Schnitt liegen bleiben oder Mulchmaterial eingebracht wird. Die Anpflanzung von ganzjährig wachsenden Futterpflanzen wie Kleegras unterstützt gleichermassen die Bedeckung der Böden und die Erhöhung ihrer Fruchtbarkeit. Durch den Anbau von Hülsenfrüchten wie Bohnen, Erbsen oder Erdnüssen in der Fruchtfolge kann nicht nur Humus aufgebaut und Luftstickstoff gebunden werden, sondern auch der wirtschaftliche Ertrag verbessert werden. Beim Thema Düngung stieß der Einsatz von Wurmkompost auf großes Interesse, zumal es in der Region bereits Erfahrungen damit gibt.
Agroforste – Tradition und Zukunft am Balkan?
Ein weiterer Ansatz zu regenerativer Landwirtschaft, der die Neugier unsere Biobauern weckte, war das Thema Agroforste. Rainer Weisshaidinger zeigte Beispiele, wie Bauern auf der ganzen Welt versuchen, durch Kombination von Ackerbau und Baum- bzw. Strauchpflanzungen dem Klimawandel zu begegnen. Spannend war die Erkenntnis, dass die kleinteilige Landwirtschaft in den gebirgigeren Regionen des Balkans dafür gute Voraussetzungen hat. Riesige, vollkommen begradigte, um störende Gewächse bereinigte und in Monokultur bewirtschaftete Äcker gibt es hier nicht. Gerade unsere sich selbst versorgenden Bauern waren immer darauf angewiesen, ihre bescheidenen Äcker mit Obst- oder Nussbäumen zu umsäumen oder Vieh darauf weiden zu lassen. Einen Versuch in Richtung Agroforstsystem wird Radanska Ruža bereits kommendes Jahr starten: Zwischen den letztes Jahr gepflanzten Zwetschkenbäumen (Stichwort Šljiva) plant sie, Paprika zu setzen.
Auch für BioBalkan hat Rainer Weisshaidinger Empfehlungen, wie wir die Bauern und Bäuerinnen besser unterstützen können: Sobald diese vermehrt Nebenkulturen wie Wintergemüse, Hülsenfrüchte, Walnüsse, Obst oder Honig produzieren, braucht es dafür Abnehmer. Dies gilt umso mehr, wenn konventionelle Nutzflächen auf Bio-Landwirtschaft umgestellt werden. Unterstützung brauchen unsere PartnerInnen nicht zuletzt, weil es in Serbien, anders als in EU-Ländern, kaum entsprechende Strukturen gibt, seien es Beratung und Forschung, seien es Förderungen. Für uns bedeutet dies, dass wir – gemeinsam mit Radanska Ruža – über neue Produkte nachdenken werden. Vielleicht gibt es ja schon 2024 einen pikanten Aufstrich aus Bohnen oder ein paar Gläschen Bio-Honig aus Serbien zu kaufen.
Regenerative Landwirtschaft und Klimawandel
In den letzten zehn Jahren sei das Wetter immer unvorhersehbarer geworden, erzählt Dragi Milenković. Vor allem die plötzlichen, starken Sturmwinde habe es früher nicht gegeben – sie kämen so schnell, dass es unmöglich sei, die seitlichen Abdeckungen aller Gewächshäuser zu entfernen, um diese vor Zerstörung zu schützen. Slobodanka Pavlović schildert, dass sie die klimatischen Veränderungen zu einer späteren Aussaat zwängen: Weil es im Mai, statt wie bisher im April, zu stark regne, könnten die Setzlinge erst im Juni ausgebracht werden, mit fast einem Monat Verspätung. Damit seien die Jungpflanzen rascher sommerlichen Temperaturen ausgesetzt, die deutlich stärker würden. Natürlich wird auch Wasser zum Thema: Der Bach Šumanka, der die Äcker von Radanska Ruža mit dem kostbaren Nass versorgen sollte, liegt im Sommer neuerdings trocken.
Für die Biobauern und -Bäuerinnen von Lebane, die das Gemüse für Ajvar & Co anbauen, gibt es keinen Zweifel, dass der Klimawandel Realität ist. Sie wissen darüber Bescheid, fernab von Medien oder KlimaaktivistInnen, und beschäftigen sich zunehmend mit der Frage, wie sie damit umgehen können. Entsprechend aufmerksam waren sie bei der Sache, als wir ein zweitägiges Training dazu organisierten. Mit Rainer Weisshaidinger konnten wir dafür einen Fachmann gewinnen, der selbst aus der Landwirtschaft kommt und seit vielen Jahren auf der ganzen Welt zu nachhaltiger und regenerativer Landwirtschaft arbeitet.
Ernüchternd waren die Zahlen, die er zur Einführung in seinen Vortrag zeigte: In Serbien ist die Temperatur seit 2001 im Jahresschnitt um 1,4° Celsius gestiegen, in den Sommermonaten sogar um 2,4° Celsius. Im Zeitraum von 2040 bis 2060 werden die Durchschnittstemperaturen zwischen 2,5° Celsius bis 3,1° Celsius im Vergleich zum Zeitraum von 1960 bis 1990 zunehmen. Eine Folge daraus sind Veränderungen bei den Niederschlägen: Diese dürften insgesamt zwar nicht abnehmen, sich jedoch stärker auf die kälteren Jahreszeiten sowie auf extremere Wetterereignisse konzentrieren, während Dürreperioden häufiger und länger werden. Dies wiederum begünstigt die Desertifikation, also die Erosion durch Abschwemmung fruchtbarer Böden. Nicht weniger als 30 Prozent der Oberflächen im ganzem Land haben diesbezüglich hohes Risiko.
Regenerative Landwirtschaft für widerstandsfähige Böden
Wie es angesichts dieser Entwicklungen möglich sein wird, fruchtbare Böden zu erhalten, war das zentrale Thema unseres Workshops. Über die Prinzipien zur Stärkung der Bodenproduktivität waren sich Biobauern und Experte einig: Die Ackerböden müssen rasten, brauchen eine Vegetations- oder Mulchdecke und Pflanzenwurzeln sowie möglichst große pflanzliche Diversität. Spannend wurde es jedoch, als es um deren Umsetzung in der Praxis ging, die je nach Region und Kultur global stark variiert. Gerade der Gemüseanbau neigt zu höherer Beanspruchung der Böden, weil diese häufig stark bearbeitet werden, die Fruchtfolgen intensiv sind oder nur wenig Ernterückstände als Biomasse am Acker bleiben. Der Lokalaugenschein zeigte: Auch unsere Biobauern sind davor nicht ganz gefeit und riskieren dadurch vermehrt Pflanzenkrankheiten und Schädlingsbefall.
Jedenfalls auf fruchtbaren Boden fielen die Empfehlungen unseres Experten im Sinne von regenerativer Landwirtschaft: Die Mulchdecke kann aufgebaut werden, indem wild am Acker wachsende Gräser (“Unkraut”) nach dem Schnitt liegen bleiben oder Mulchmaterial eingebracht wird. Die Anpflanzung von ganzjährig wachsenden Futterpflanzen wie Kleegras unterstützt gleichermassen die Bedeckung der Böden und die Erhöhung ihrer Fruchtbarkeit. Durch den Anbau von Hülsenfrüchten wie Bohnen, Erbsen oder Erdnüssen in der Fruchtfolge kann nicht nur Humus aufgebaut und Luftstickstoff gebunden werden, sondern auch der wirtschaftliche Ertrag verbessert werden. Beim Thema Düngung stieß der Einsatz von Wurmkompost auf großes Interesse, zumal es in der Region bereits Erfahrungen damit gibt.
Agroforste – Tradition und Zukunft am Balkan?
Ein weiterer Ansatz zu regenerativer Landwirtschaft, der die Neugier unsere Biobauern weckte, war das Thema Agroforste. Rainer Weisshaidinger zeigte Beispiele, wie Bauern auf der ganzen Welt versuchen, durch Kombination von Ackerbau und Baum- bzw. Strauchpflanzungen dem Klimawandel zu begegnen. Spannend war die Erkenntnis, dass die kleinteilige Landwirtschaft in den gebirgigeren Regionen des Balkans dafür gute Voraussetzungen hat. Riesige, vollkommen begradigte, um störende Gewächse bereinigte und in Monokultur bewirtschaftete Äcker gibt es hier nicht. Gerade unsere sich selbst versorgenden Bauern waren immer darauf angewiesen, ihre bescheidenen Äcker mit Obst- oder Nussbäumen zu umsäumen oder Vieh darauf weiden zu lassen. Einen Versuch in Richtung Agroforstsystem wird Radanska Ruža bereits kommendes Jahr starten: Zwischen den letztes Jahr gepflanzten Zwetschkenbäumen (Stichwort Šljiva) plant sie, Paprika zu setzen.
Auch für BioBalkan hat Rainer Weisshaidinger Empfehlungen, wie wir die Bauern und Bäuerinnen besser unterstützen können: Sobald diese vermehrt Nebenkulturen wie Wintergemüse, Hülsenfrüchte, Walnüsse, Obst oder Honig produzieren, braucht es dafür Abnehmer. Dies gilt umso mehr, wenn konventionelle Nutzflächen auf Bio-Landwirtschaft umgestellt werden. Unterstützung brauchen unsere PartnerInnen nicht zuletzt, weil es in Serbien, anders als in EU-Ländern, kaum entsprechende Strukturen gibt, seien es Beratung und Forschung, seien es Förderungen. Für uns bedeutet dies, dass wir – gemeinsam mit Radanska Ruža – über neue Produkte nachdenken werden. Vielleicht gibt es ja schon 2024 einen pikanten Aufstrich aus Bohnen oder ein paar Gläschen Bio-Honig aus Serbien zu kaufen.
Der Workshop wurde durchgeführt im Rahmen des Programms “Organic Trade 4 Development in Eastern Europe (OT4D)“, gefördert durch das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO).